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Eine Frau geht ihren Weg

Die Wienerin Nathalie Brunner ist eine Frau mit ausgeprägtem Macherinnen-Gen: Unter dem Künstlernamen DJ Playlove legt sie seit 21 Jahren in Clubs auf, als Mitbegründerin des Vereins Les Belles de Nuit setzt sie sich für die Förderung von Frauen in der elektronischen Musik- und Kulturszene ein und seit einem Jahr ist sie im angesagten Zürcher Kulturhaus Kosmos mitverantwortlich für die Veranstaltungen. Warum sie dennoch nicht als umtriebig bezeichnet werden möchte, erklärt sie im Interview.

 

Frau Brunner, Ihr unermüdliches Engagement für eine lebendige Kultur- und Musikszene zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr Leben. Wie hat das Ganze angefangen?

Nathalie Brunner: Ich habe mich schon sehr früh leidenschaftlich für Musik interessiert. Ich war ungefähr 19 Jahre alt als ich mit dem DJ-ing angefangen habe. Das war in Wien. Inzwischen lege ich in Clubs auf der ganzen Welt auf.

Frauen sind bis heute eher selten hinter dem Mischpult anzutreffen. Ihnen hat es wohl schon damals nicht an Selbstbewusstsein gefehlt?

NB: Über mangelndes Selbstbewusstsein kann ich mich definitiv nicht beklagen. Das ist ja aber auch etwas sehr Individuelles. Unbestritten ist dennoch, dass Frauen und andere Minderheiten in der aktiven Clubszene unterrepräsentiert sind. Es gibt nicht nur zu wenig DJs, sondern auch Produzent*innen und Veranstalter*innen. Aus diesem Grund habe ich gemeinsam mit einer Freundin 2013 das Zürcher DJ Kollektiv Les Belles de Nuit gegründet. Ziel des Vereins ist es, Frauen und Queers in der elektronischen Musikkultur eine Plattform zu bieten, sie zu fördern und ihnen zu helfen, sich zu vernetzen. Das tun wir unter anderem, indem wir Veranstaltungen organisieren und Workshops anbieten. Für unser langjähriges Engagement für mehr Diversität im Nachtleben wurden wir im vergangenen Jahr von der Fachstelle Kultur des Kantons Zürich sogar mit dem Anerkennungspreis «Kulturelle Teilhabe» gewürdigt.

Seit der Gründung des Vereins organisieren Sie jährlich auch das Les Belles de Nuit Festival in Zürich. Die ersten zwei fanden aber in Istanbul statt. Warum gerade in der Türkei?

NB: Das hatte vor allem mit dem eigenen Netzwerk zu tun. Wir sind mit vielen Kulturschaffenden befreundet, die in Istanbul leben. Entsprechend wichtig war es für uns, gerade in einer Stadt wie Istanbul, die voller Widersprüche ist, unsere Message zu verbreiten respektive aufzuzeigen, dass Frauen in Clubs mehr können als nur tanzen.

Schon in den ersten drei Antworten haben Sie drei Städte in drei Länder erwähnt. Das gibt den Anschein, als wären Sie im Leben viel herumgekommen.

NB: Ich bin in meinem Leben tatsächlich mehr umgezogen als ich Geburtstage hatte. Geboren wurde ich in Wien, meine Kindheit habe ich bis zum siebten Lebensjahr in Nigeria verbracht, die Jugend in Österreich und später bin ich wegen meiner Ausbildung als Kauffrau für audiovisuelle Medien nach München gezogen. Nach einem kurzen Zwischenhalt in Berlin habe ich mich 2008 entschieden, einen Job in Zürich anzunehmen. Seither lebe und arbeite ich hier. Räumliche Veränderungen gehören zu mir – da bin ich ganz flexibel.

Trotz den vielen geografisch unterschiedlichen Lebensmittelpunkten sind Sie sich beruflich immer treu geblieben, so als wäre die einzige Konstante in Ihrem Leben Ihr Engagement für die Belebung der Kulturszene.

NB: Das kann man verkürzt sicher so sagen. Es war mir schon immer wichtig, Kultur möglich zu machen und dadurch Menschen zusammenzubringen – ob als Veranstalterin, DJ, PR-Verantwortliche für ein Plattenlabel oder heute als Mitverantwortliche für das Kulturprogramm im Kosmos.

Wie sind Sie überhaupt zum Kosmos gekommen?

NB: Wenn man es genau nimmt, bin ich eigentlich schon seit Beginn dabei. Für eine externe Firma war ich 2017 für die Produktion der Eröffnungsfeier verantwortlich. Ein Jahr später wurde ich angefragt, ob ich das einjährige Jubiläum mitorganisieren würde. So kam es im Januar 2019 zu einer Festanstellung im Veranstaltungsteam. Das ist natürlich für jemanden, der sich durch und durch als Kulturmacherin versteht, eine einmalige Chance, denn bezahlte Jobs, die darüber hinaus auch noch spannend sind, gibt es in diesem Bereich in der Schweiz bekanntlich nicht viele. Unabhängig von diesem finanziellen Aspekt, ist das wichtigste für mich, dass ich die Arbeit im Kosmos liebe. Es gibt meines Wissens nach keinen anderen Kulturbetrieb, der sich derart bewusst beim Programmieren dem interdisziplinären Ansatz widmet wie der Kosmos. Das fordert mich einerseits als Kulturmanagerin und andererseits gibt es mir die Möglichkeit, alle diese verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen – vom Buchsalon über das Kinoprogramm bis hin zu Podiumsdiskussionen und Clubveranstaltungen.

Foto: Kosmos-Kultur AG

 

Sie haben 2017 den Master in Kulturmanagement gemacht. Hatte diese Weiterbildung einen Einfluss auf Ihre Anstellung?

NB: Ich glaube nicht, dass mein Master der einzige Grund dafür war, dass ich die Stelle bekam. Meine langjährige Berufserfahrung in diesem Bereich war sicherlich viel ausschlaggebender. Dennoch kann ich nicht von der Hand weisen, dass das Studium mir persönlich viel gebracht hat. Was ich bis heute schätze, ist insbesondere das realistische Bild, das uns die vielen guten Dozent*innen über die Branche vermittelt haben. Alles was heute in meinem Berufsalltag passiert, ist für mich deshalb keine Überraschung. Unter dem Strich hat mich die Weiterbildung professionalisiert und dadurch mein Rückgrat gestärkt. Das wiederum hat mir die Sicherheit gegeben, die mir erlaubt hat, zu glauben, dass Kosmos nun keinen triftigen Grund hat, mich nicht einzustellen (lacht).

Der Kosmos befindet sich im neu errichteten Quartier an der Europaallee, die als Symbol für die Gentrifizierung in Zürich gilt. Wie gehst du mit solchen Vorwürfen um?

NB: Ich zähle sicherlich zu jenen Menschen, die solchen Veränderungen im urbanen Raum kritisch gegenüberstehen. Ich wurde selbst von meiner Wohnung im Kreis 5 weggentrifiziert. Entsprechend bin ich weiterhin der Meinung, dass die Europaallee an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeplant und -gebaut wurde – obwohl das notwendige Geld dafür vorhanden gewesen wäre. So gibt es auf dem gesamten Areal kaum Grünflächen oder attraktiv gestaltete Plätze, die zum Verweilen einladen. Insofern hat sich an meiner Haltung nichts geändert, obwohl ich heute selbst an der Europaallee arbeite. Was sich aber verändert hat, ist mein Verständnis dafür, dass das neue Quartier ein vielfältiges Haus wie den Kosmos braucht. Das veranschaulicht auch die demografische Zusammensetzung unserer Gäste: Kleinkinder machen etwa Kissenschlachten auf der Treppe, Studierende arbeiten fleissig an Laptops, Seniorinnen und Senioren wiederum besuchen rege unsere Veranstaltungen ohne Eintritt und diskutieren mit. Dazu kommt ein spannend kurartiertes Kinoprogramm und ein einmaliges gastronomisches Angebot, die den Ort zum Magneten machen.

Haben Sie neben dem anspruchsvollen Job überhaupt noch Zeit für Ihre eigenen Projekte?

Andere müssen Familie und Beruf unter ein Hut bringen, ich meinen Job und die vielen privaten Kulturprojekte, die mir am Herzen liegen. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

Gibt es darunter ein Projekt, über das wir noch nicht gesprochen haben?

NB: Zu erwähnen ist sicherlich der Verein Kombo, wo ich zwischen 2015 und 2019 tätig war. Er versucht auf stillgelegten Industriearealen und in ehemaligen Gewerberäumen, temporäre Räume für Kulturprojekte zu schaffen. Aktuell findet eine solche Zwischennutzung in einer ehemaligen Fabrik in der Zürcher Gemeinde Uetikon am See statt. .

Würden Sie sich als umtriebig charakterisieren?

NB: Umtriebig ist für mich negativ konnotiert. Ich würde mich eher als leidenschaftlich bezeichnen.

Interview: Güvengül Köz Brown